Sun Mu – Grenzenlos
Ausstellung vom 7. bis 29. Januar 2023
Eröffnung: Freitag, 6. Januar, 19 Uhr
Kuratiert von Dr. Cornelia Oßwald-Hoffmann, Jae-Hyun Yoo und Alexander Steig
Kunstturm am Schwankl-Eck
Obermarkt 33
82515 Wolfratshausen
Öffnungstage sind samstags von 12 bis 15 Uhr und sonntags 12 bis 18 Uhr sowie
nach telefonischer Vereinbarung (0179-8318029).
Über die Ausstellung
Eine Polizistin in einer zum weiß mutierten nordkoreanischen Uniform regelt den Verkehr zwischen roter und blauer Welt, zwischen einem in einem steinzeitlichen Kommunismus verharrendem Nordkorea und einem von der westlichen Welt und ihren Werten fast überforderten hochmodernen Südkorea. „Run“ fordert dazu auf die harten Grenzen zum Verschwimmen zu bringen, zum Auflösen, zum Fließen. Nach diesem Weichwerden der Grenzen sehnt sich das Werk des 1972 in Nordkorea geborenen, in Südkorea lebenden Künstlers Sun Mu. Sun Mu, was da heißt, etwas frei übersetzt „Grenzenlos“, der Name ist Programm. Sein echter Name ist nicht verwendbar, da seine Nennung Gefahr für seine nach wie vor in Nordkorea lebende Familie bedeuten würde, denn der geflohene Sun Mu gilt in Nordkorea als Landesverräter.
Im Militär zum Propagandamaler ausgebildet, studierte er in Nordkorea Malerei und nach seiner Flucht während der Hungersnöte der 1990er, 2009 ebenfalls Malerei an der Hongik Universität in Seoul. Es liegen Jahre dazwischen. Jahre, in denen er seine, aus der Not geborene, auch für ihn überraschende Flucht erst verdauen musste um aus dem hermetischen nordkoreanischen Propagandakarussell auszusteigen, sich zu lösen und ihm gegenüber zu treten. Doch gerade diesem schwierigen, oft für ihn schmerzhaften und gefährlichen Prozess stellt er sich. Den Stil der nordkoreanischen Propagandamalerei, die dem sozialistischen Realismus Stalin’scher Prägung verpflichtet, die eigene „Chuch’e-Ästhetik“ entwickelt hat, baut Sun Mu zu seiner eigenen Pop-Art-Variante um. Nützt ihn, um die Hermetik der ideologischen, indoktrinieren Botschaften aufzubrechen und ihre Machtmechanismen dahinter sichtbar zu machen. Die vertrauten Chiffren eines verordneten Kollektivglück im sozialistischen Überstaat, der Personenkult des unfehlbaren Führers, diese „Schablonen einen politischen Bildkunst“, wie sie Jae-Hyun Yoo und Alexander Steig in ihrem Artikel in dem 2019 in München erschienen Katalog nennen, verwendet Sun Mu unter verkehrten Vorzeichen, um so auf die durch sie verdeckten, sozialen Missstände aufmerksam zu machen. Welche Abgründe lauern hinter der Oberfläche einer verordneten Glückseeligkeit? Und nicht nur in Nordkorea, nicht nur in allen anderen kommunistischen und autokratischen Systemen, sondern auch in den neuen Demokratien Nordostasien und schließlich auch den alten Demokratie der westlichen Welt. Wo werden hier die harten Grenzen gesetzt und seien es nur die einer möglicherweise indoktrinieren Wohlanständigkeit? Wo beginnt in welchem System und wie? Propaganda die Wahrheit zu verdecken oder zu substituieren?
Sun Mu’s Arbeiten treffen den Kern unserer Zeit. Die tiefe, krachend pinke Sehnsucht nach einer klaren, gerechten Selbstorientierung im Dschungel von Fake News, Propaganda, Verschwörungstheorien, bemühten, aber falsch verstandenem Gut-Menschentum und totaler Überforderung im Angesicht der erschreckenden, erstickenden Fakten weltweit. Je mehr sich alte und neue Grenzen verhärten, um so größer wird die Sehnsucht nach deren Auflösung. „Run“ wünschen wir alle. Wünschen, dass es wieder rund um den Globus fließen soll, wieder so, wie es noch vor drei Jahren war, in einer scheinbar entspannten, durch Handel und kulturellen Austausch zusammengefügten Weltgemeinschaft, die sich der Westen so oft erträumt. Das bis zum Kitsch gesteigerte Harmoniebedürfnis und sein Pathos wird in seiner Unterhöhlung als falsches lähmendes Signal sichtbar – in den Bildern Sun Mu – und in unserer intuitiven Welt, die durch sie aufgebrochen wird. Es bleibt das genaue Hinsehen, das Es-sich-eingestehen, das Differenzieren und das Agieren für die Inhalte, für die es sich lohnt.